Mit dem Projekt Urban Mental Health (UMH) beschreitet das Deutsche Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) gemeinsam mit der Stadt Bochum neue Wege. Ziel ist es, Kinder und Jugendliche dort zu erreichen, wo psychische Gesundheit entsteht: im Alltag, in ihrer Umgebung. In Kitas, Schulen, Jugendhilfe- und Beratungseinrichtungen werden Fachkräfte gestärkt, Strukturen weiterentwickelt und psychische Gesundheit als gemeinsame Aufgabe etabliert – frühzeitig, partizipativ und wissenschaftlich fundiert. So wird nicht nur individuelle psychische Gesundheit gestärkt, sondern die ganze Region, in der das Projekt umgesetzt wird.
„Die Vision ist klar: Psychische Gesundheitsförderung soll überall so selbstverständlich werden wie Lesen, Rechnen oder Zähneputzen – für alle Kinder, unabhängig von Herkunft, Wohnort oder Bildungseinrichtung.”
Prof. Dr. Silvia Schneider, Leiterin des Projekts UMH und Sprecherin des DZPG
Psychische Erkrankungen gehören zu den drängendsten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit – nicht erst im bei Erwachsenen, sondern bereits bei Kindern und Jugendlichen. Studien zeigen: Ein Drittel aller psychischen Störungen beginnt vor dem 14., die Hälfte bis zum 18. und fast zwei Drittel vor dem 25. Lebensjahr.* Dennoch greift das bestehende Versorgungssystem häufig erst dann, wenn Belastungen bereits chronisch geworden sind – mit zum Teil gravierenden Folgen für das Leben junger Menschen. Früh auftretende psychische Störungen führen nicht selten zu niedrigeren Bildungsabschlüssen, geringerem Einkommen, höherer Arbeitslosigkeit, vorzeitigen Berentungen und einer verringerten Lebenserwartung. Gleichzeitig entstehen dadurch erhebliche volkswirtschaftliche Kosten; so verursachten psychische Störungen im Jahr 2015 Kosten von insgesamt 147 Milliarden Euro – das entspricht 4,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Davon entfielen 56,4 Milliarden Euro auf direkte Kosten.**
* WHO, World mental health today, Latest data, 2025
** DGPPN, Forderungen zur Bundestagswahl, #mentalhealth stärken und schützen, 2025
UMH basiert auf einer engen Allianz zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik – mit Beirat, Stakeholder-Board und Kinder- und Jugendräten als festem Teil der Struktur. Getragen wird das Projekt vom DZPG-Standort Bochum-Marburg unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Silvia Schneider, einer der führenden Expertinnen auf dem Gebiet der Klinischen Kinder- und Jugendpsychologie. Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team und in enger Abstimmung mit der Stadt Bochum sowie kommunalen Einrichtungen entsteht ein Schutzprogramm, das nicht nur kurzfristig helfen, sondern strukturelle Veränderung bewirken soll.
Projektleiterin
Prof. Dr. Silvia Schneider
Projektkoordinatorin
Dr. Lukka Popp
lukka.popp@rub.de
Allgemeine Anfragen bitte an
umh-projekt@rub.de
Statt fertiger Bausteine setzt UMH auf ein lernendes System, das sich flexibel an die Bedingungen der beteiligten Einrichtungen anpasst. In einem vierphasigen Prozess – von der Analyse über die Planung bis hin zur Verstetigung – werden Maßnahmen entwickelt, erprobt und kontinuierlich optimiert. Alle Module, von Psychoedukation über Supervision bis zu Netzwerkarbeit, sind praxisnah, niedrigschwellig und wissenschaftlich evaluiert.
Dabei richtet sich der Blick nicht nur auf Defizite, sondern auf Ressourcen: Was brauchen die Menschen einer Einrichtung, um psychische Gesundheit besser fördern zu können? Wie lassen sich Routinen verändern, Belastungen reduzieren, Handlungsspielräume erweitern? Fachkräfte erhalten konkrete Unterstützung im Alltag – aber auch neue Perspektiven auf ihre Rolle, ihre Wirkung und die Potenziale ihres Umfelds. UMH verbindet so Maßnahmen der Verhaltens- und Verhältnisprävention – also individuelle Kompetenzen mit strukturellen Veränderungen in Kita, Schule und Jugendhilfe.
Ziel ist es, durch frühzeitige und ambulante Förderung der psychischen Gesundheit präventiv zu wirken – für ein nachhaltigeres Versorgungssystem.
Seit Mai 2023 wird das Projekt Urban Mental Health in Bochum exemplarisch umgesetzt – mit großem Interesse und hoher Beteiligung. Zahlreiche Schulen und Kitas haben sich dem Projekt angeschlossen und von den Interventionen profitiert. Die Rückmeldungen aus der Praxis sind vielversprechend: Die Maßnahmen greifen, sind anschlussfähig und stärken nicht nur die Kinder, sondern auch die Fachkräfte und die Einrichtungen als Ganzes.
Urban Mental Health ist mehr als ein Projekt. Es ist ein neues Verständnis davon, wie psychische Gesundheit entstehen kann – mitten im Alltag der Menschen, angepasst auf individuelle Bedürfnisse. Alle Maßnahmen werden in enger Abstimmung mit den Beteiligten vor Ort entwickelt – auf Augenhöhe, bedarfsorientiert und gemeinsam mit Fachkräften, Eltern sowie Kindern und Jugendlichen. Digitale Tools wie Onlinebefragungen oder Feedbacksysteme per Smartphone ermöglichen eine zeitnahe, niedrigschwellige Begleitung und Evaluation der Maßnahmen – und eine Anpassung an die örtlichen Bedürfnisse.
beteiligte Einrichtungen
(Stand: 09/2025)
Das Programm ist konsequent auf das Ziel ausgerichtet, transferfähig zu sein. Dadurch hat das Projekt Urban Mental Health das Potenzial, bundesweit Maßstäbe zu setzen.