Ein Meilenstein für die neuropsychiatrische Forschung in Mannheim: Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) verfügt nun über ein neues, hochmodernes Gerät zur Hirnbildgebung. Der 7-Tesla-Magnetresonanztomograph (MRT) ermöglicht eine bisher nicht erreichte Auflösung in der Darstellung von Strukturen und Funktionen im menschlichen Gehirn. Ziel dabei ist es, die Ursachen und Mechanismen psychischer Erkrankungen noch besser zu verstehen und darauf aufbauend neue, individualisierte Behandlungsansätze zu entwickeln. Die Klaus Tschira Stiftung ermöglicht die Anschaffung.
Ein zentraler Forschungsansatz am ZI ist es, die Wirkweise neuer Therapien mit Verfahren der funktionellen biochemischen und strukturellen Bildgebung zu untersuchen. Indem die Hirnfunktionen sichtbar gemacht werden, kann die psychiatrische und psychologische Therapieforschung wesentliche Aspekte von Erkrankungen auf der Ebene der Nervenzellen in den Blick nehmen. Störungen der Informationsverarbeitung werden auf der neuronalen Ebene oft schon dann sichtbar, wenn sich diese Prozesse im Verhalten noch nicht gezeigt haben oder sich dort nicht mehr unterscheiden lassen. Diese Marker können mit modernen mathematischen Verfahren auf ihre Nützlichkeit für die Therapieforschung hin überprüft und anschließend angewendet werden.
Entscheidende Vorteile für die Therapieforschung
„Gerade bei neuen Behandlungen können so spezifische Wirkungen in den betroffenen Gehirnsystemen im Gehirn gemessen und beschrieben werden“, sagt Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg, Vorstandsvorsitzender des ZI. „Dies ermöglicht Aussagen für die personalisierte Medizin, die in diesem Bereich besonders dringlich ist, weil psychiatrische Diagnosen nicht ausreichend zwischen für die Behandlung relevanten Untergruppen von Patienten unterscheiden.“
Der 7-Tesla-MRT Magnetom Terra.X von Siemens Healthineers ist in der Lage, neben feinen Gehirnstrukturen auch Aktivität und Stoffwechselvorgänge in einer bisher nicht erreichbaren Präzision bildlich darzustellen. Im Bereich der Therapieforschung können damit Anwesenheit und Verteilung von Molekülen im Gehirn – zum Beispiel neue Medikamente – direkt gemessen werden. Gleichzeitig lassen sich die Effekte auf die Hirnfunktion darstellen. Insbesondere bei psychiatrischen Therapien, die sich häufig auf sehr kleine Gebiete im Gehirn beziehen, ist die hoch aufgelöste bildliche Darstellung ein wichtiger Vorteil. „Wir sind der Klaus Tschira Stiftung sehr dankbar dafür, dass sie es uns mit ihrer Förderung ermöglicht, unser anspruchsvolles Forschungsprogramm mit der erforderlichen Infrastruktur fortzuführen“, betont Meyer-Lindenberg.
Teil des einzigartigen ZIPP
Das neue Gerät ist der weltweit erste 7-Tesla-MRT Magnetom Terra.X von Siemens Healthineers mit Patientenzertifizierung in der Psychiatrie. Es wird Teil des 2019 eröffneten Zentrums für Innovative Psychiatrie- und Psychotherapieforschung (ZIPP) im Therapiegebäude in J 5. Hier befindet sich eine umfassende Forschungsinfrastruktur in direkter Anbindung an die Klinikräume. Die kurzen Wege ermöglichen es, auch mit schwer erkrankten Patientinnen und Patienten zu forschen. Das ZIPP wird nicht nur von Forschenden des ZI genutzt werden, sondern ist auch zentraler Bestandteil des neu gegründeten, bundesweiten Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit.
20 Tonnen schweben heliumgekühlt durch die Luft
Wie alle MRT-Geräte benötigt auch der 7-Tesla-MRT eine spezielle bauliche Unterbringung. Der benötigte Raum wurde bereits bei der Planung des ZIPP im Untergeschoss des Therapiegebäudes vorgesehen. Durch eine Öffnung in der Decke wurde der etwa 20 Tonnen schwere supraleitende Magnet nun in das Gebäude in J 5 eingebracht. Zu diesem Zeitpunkt wird der Magnet bereits mit flüssigem Helium gekühlt, ist aber noch nicht einsatzbereit. Die Arbeiten zur Inbetriebnahme werden bis Ende Oktober abgeschlossen sein, so dass die technische Einführung für die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Anfang November beginnen kann.
Bildgebungsforschung am ZI – stets Pionierarbeit
Das ZI war Mitte der 1990er-Jahre eines der ersten Institute, das ein MRT-Gerät für Diagnostik und neuropsychiatrische Forschung installierte. Damit war das ZI schon in der Pionierzeit der metabolischen und funktionellen Bildgebung in diesem Bereich aktiv. Seit 1998 wurde das MRT ausschließlich für die Forschung am menschlichen Gehirn genutzt. Durch den Austausch des 1,5-Tesla-MRTs (2005) und die Erweiterung um ein zweites 3-Tesla-Gerät (2009) wurde die Voraussetzung für Studien der sozialen Interaktion geschaffen. Dafür verbanden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ZI die zwei MRTs, um gleichzeitig die Gehirnaktivität von zwei Menschen zu messen, die miteinander interagieren oder gemeinsam an der Lösung einer Aufgabe beteiligt waren. Auch in der Tierforschung kommt die Magnetresonanztomographie seit 2008 zum Einsatz. Die im Vergleich zum Menschen viel kleineren Gehirne von Ratten und Mäusen erfordern für die Bildgebung erhebliche stärkere Magnetfelder (9,4 Tesla). Auch hier wird die Anatomie, die Funktion und die Biochemie erforscht. Für die molekulare Bildgebung installierte das ZI in den Räumen des ZIPP im Jahr 2017 zudem einen kombinierten Positronenemissions-/Magnetresonanztomographen (PET-MRT).
Originalmeldung: ZI Mannheim